Ampel lehnt Unionsantrag auf 100 Millionen Euro-Pilotprojekt ab und spielt auf Zeit
Über 1,6 Millionen Tonnen alter Munition liegen auf dem Grund der Nord- und Ostsee. Und die Uhr tickt: Aufgrund fortschreitender Korrosion drohen giftige Stoffe auszutreten. In den kommenden Jahren wird so eine Umweltkatastrophe immer wahrscheinlicher. Das Problem erkannt hat auch die Politik – bloß ein tatkräftiges Handeln fehlt noch immer. Im Rahmen der Beratungen zum Budget des Bundesumweltministeriums für das kommende Jahr stand das Thema Munitionsaltlasten wieder ganz oben auf der Agenda des Bundestages. Die Union hat beantragt, im kommenden Jahr 100 Millionen Euro für ein Pilotprojekt zur Verfügung zu stellen – das hat die Ampel mit ihrer Mehrheit aber verhindert. Die Regierungsfraktionen sehen in ihren Anträgen nur 28 Millionen Euro vor und stellen damit nicht die nötigen Mittel zur Verfügung, um ein Pilotprojekt schon im kommenden Jahr umzusetzen.
„Alle wissen, welche riesige Gefahr auf dem Grund der Meere vor sich hin rostet“, so Astrid Damerow, die für die CDU/CSU-Fraktion als Obfrau und zuständige Berichterstatterin im Umweltausschuss sitzt. „Obwohl sich die Ampel – zurückgehend auf eine Unions-Initiative der letzten Wahlperiode – des Themas Munitionsentsorgung annehmen wollte, passiert viel zu wenig.“ Im Regierungsentwurf für den Haushalt 2023 sind nur 20 Millionen Euro für ein „Sofortprogramm Munitionsaltlasten“ vorgesehen. Experten gehen aber davon aus, dass allein ein erstes Pilotprojekt rund 100 Millionen Euro kosten würde – und dieses Geld bei schneller Umsetzung auch im nächsten Jahr ausgegeben werden könnte.
Auf die schnellstmögliche Umsetzung des Pilotprojektes zielte der Unions-Antrag. Auch die Ampel hat mehr Mittel beantragt und mit ihrer Mehrheit beschlossen. Diese dann insgesamt 28 Millionen Euro reichen aber nicht, um das Pilotprojekt schon im kommenden Jahr umzusetzen. Denn von Seiten der maritimen Wirtschaft wurden bereits umsetzungsreife Lösungsmöglichkeiten entwickelt, die sofort realisiert werden könnten. Die Mittel der Ampel reichen aber nur für die Vergabe von Planungsleistungen aus, die aber aufgrund der Vorarbeiten der Industrie gar nicht notwendig wären. Die Ampel spielt auf Zeit, was Umweltpolitikerin Damerow kritisiert: „Was wir gerade nicht haben, ist Zeit. Wir müssen jetzt die Konzepte umsetzen, die ja schon auf dem Tisch liegen. Leider hat die Ampel mit der Ablehnung der ausreichenden Finanzierung eines Pilotprojektes wieder einmal die Chance auf Beschleunigung vertan.“
Neben einer kontroversen Debatte im Umweltausschuss bewegt das Thema auch die Haushaltspolitiker. „Die Staatsfinanzen sind in einer schwierigen Situation – das ist keine Frage“, erklärt der CDU-Abgeordnete Ingo Gädechens. „Wenn wir die Altmunitionsproblematik aber nicht zügig lösen und das dafür notwendige Geld in die Hand nehmen, drohen immense Folgekosten. Warum gerade die Grünen und das grün geführte Umweltministerium keine Priorität auf die Thematik legen, ist mir daher vollkommen schleierhaft.“ Besonders stört den Abgeordneten, dass neben der Frage des Pilotprojektes noch viele weitere Punkte offen sind. Brisant ist vor allen Dingen die Frage der langfristigen Finanzierung. „Ein Pilotprojekt ist das eine – die Munition systematisch zu bergen ist aber etwas ganz anderes, gerade auch finanziell. Umso wichtiger wäre es, alle Beteiligten – Bund, Länder und Unternehmen – an einen Tisch zu holen und mit Volldampf Lösungen zu erarbeiten“, so Gädechens. Auch dies hat die Union in einem eigenen Antrag explizit eingefordert. Von der Ampel-Mehrheit wurde aber auch dieser Vorstoß abgelehnt. „Es ist wirklich ernüchternd“, so der Haushaltspolitiker. „Das Schneckentempo des Ministeriums und der Ampel gehen an der großen Eilbedürftigkeit der Lage komplett vorbei.“