Seit 12 Jahren, seit der Havarie der Pallas vor Amrum, ist der Ruf nach einer einheitlichen Küstenwache zur Verbesserung der Sicherheitsarchitektur in Nord- und Ostsee nie verhallt. Dennoch ist
die Küstenwache bisher am Streit zwischen Bundes- und Landesministerien gescheitert. Erst in dieser Wahlperiode hatte sich die christlich-liberale Koalition in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel
gesetzt, „mit der späteren Zielsetzung des Aufbaus einer nationalen Küstenwache zunächst die Kompetenzen der gegenwärtig am Küstenschutz beteiligten Bundesbehörden zusammenzuführen“.
Zurzeit wird dieses Thema in einer Arbeitsgruppe von vier Bundesministerien behandelt. Um bei diesem Thema Druck zu machen, hatte der Bundestagsabgeordnete für Nordfriesland und Dithmarschen-Nord
und Vorsitzende des Küstenkreises der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingbert Liebing, MdB, gemeinsam mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dr. Günter Krings zu einem
Fachgespräch in den Reichstag eingeladen.
Hundert fachkundige Gäste informierten sich und diskutierten mit vier Parlamentarischen Staatssekretären aus dem Bundesverkehrsministerium, Innenministerium, Landwirtschaftsministerium sowie
Finanzministerium. Diese vier Ministerien sind mit eigenen Schiffen in Nord- und Ostsee in ihrem jeweiligen Aufgabenspektrum für Sicherheit auf See zuständig. Für die nordfriesische Insel- und
Halligkonferenz trug der Sylter Manfred Uekermann die Erwartungshaltung der Küste vor. Auch Nordfrieslands Landrat Dieter Harrsen bekräftigte als Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutsche
Nordseeküste die Forderung nach einer einheitlich geführten Küstenwache. Der Kommandeur des Havariekommandos in Cuxhaven Hans Werner Monsees berichtete über seine praktischen Erfahrungen im
Umgang mit komplexen Schadenslagen. Der Präsident der Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt, Joachim Franklin, begründete die auch vom Staatssekretär im Bundesinnenministerium Dr. Ole Schröder
vertretene Auffassung, dass eine stärkere Integration der Bundesbehörden notwendig sei. Demgegenüber äußerte sich der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann, skeptisch, ob
überhaupt ein derartiger Veränderungsbedarf notwendig sei. Diese Position wurde für die Wasserschifffahrtsverwaltung vom Präsidenten Klaus Frerichs aus Aurich untermauert. Die neuen
Herausforderungen, die sich durch den Bau von Offshore-Windparks ergeben, stellte Christian Dahlke vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie dar, der für die Genehmigungsverfahren
verantwortlich ist.
„Die Veranstaltung hat deutlichen Handlungsbedarf aufgezeigt. Der Bau von neuen Offshore-Windparks stellt neue Anforderungen an die Sicherheitskräfte. Aber auch die Ziele der Fischereireform auf
europäischer Ebene werden für die Fischereiaufsicht neue Aufgaben mit sich bringen, um illegale Fischerei und Überfischung zurück zu drängen. Die Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus wird
ebenfalls auf See eine höhere Bedeutung bekommen, wenn dort mit Energieinfrastruktureinrichtungen von Windparks über Umspannwerke bis zur Gaspipeline durch die Ostsee neue mögliche Angriffsziele
errichtet werden. Auf diese neuen Herausforderungen ist die Sicherheitsarchitektur bei weitem noch nicht ausreichend vorbereitet“, zieht Ingbert Liebing das Fazit aus der
Diskussionsveranstaltung. Nach wie vor arbeiten alle Behörden nur im Rahmen ihrer eigenen Zuständigkeit. Niemand nimmt eine Gesamtverantwortung wahr. „Dies kann man auch als organisierte
Unverantwortlichkeit bezeichnen“, so der CDU-Politiker, der sich bereits seit vielen Jahren für eine Optimierung der Sicherheitsarchitektur in Nord- und Ostsee einsetzt.
Bezeichnend sei, so Liebing, dass mehrere beteiligte Behörden und Bundesministerien erst einmal mehr Geld, Einsatzmittel und Personal forderten. Bevor daran zu denken sei, müsse jedoch das
Potenzial an Effizienzsteigerung genutzt werden, das in einer besseren Kooperation und Integration liegt.
Anfang des kommenden Jahres will die interministerielle Arbeitsgruppe ihren Abschlussbericht vorlegen. Nach Liebings Einschätzung sei nichts anderes zu erwarten, als dass die in der Arbeitsgruppe
beteiligten Bundesministerien streng auf Erhalt ihrer Ressortkompetenzen achten werden. Umso wichtiger sei es, dass aus dem Parlament heraus Druck für Veränderungen gemacht werde. Die Koalition
habe sich ein Ziel gesetzt, das nicht von den Fachverwaltungen unterlaufen werden dürfe. Die Fachkonferenz im Bundestag habe Handlungsnotwendigkeiten aufgezeigt. „Jetzt ist Zeit zum Handeln“,
erklärte Ingbert Liebing abschließend.
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